Wenn Lulus einen Brief schreiben

Es bleibt lustig: unter dem Titel „Ja, wir sind gegen Zensur“ schrieb der Vorstand der IG Bildende Kunst jetzt einen offenen Brief an die Wiener Neos-Chefin Beate Meinl-Reisiger. Wie der Antist berichtete, lehnten die NEOS in der 28. Wiener Gemeinderatssitzung, völlig zu Recht, einen Förderantrag der IG Bildende Kunst über 26 000 Euro ab. Zuvor kritisierte deren Partei-Chefin Beate Meinl-Reisinger den Umgang der Kunstgewerkschaftler mit Zensur.

Auslöser waren kritische Berichte im Antist über das schäbige Verhalten der Kunstapparatschiks im Zensurfall der österreichischen DOCUMENTA-Künstlerin Ines Doujak. Grund genug für den Vorstand der Subventionsgewerkschaft sich als Opfer einer üblen Lügenkampagne des Antist zu gebärden. Mangels Argumenten unterstellt die IG Bildende Kunst den Antist-Herausgebern TOMAK und Lukas Pusch schlicht zu lügen. Beate Meinl-Reisinger wird in dem Brief beschuldigt „mit der Reproduktion dieser Falschbehauptungen … eine Instrumentalisierung der Künstlerin Ines Doujak bzw. des Zensur-Skandals rund um ihre Arbeit fort (zu setzten).“ Meinl-Reisinger würde damit – man höre und staune – „zur Diffamierung ausgewählter Künstler_innen beitragen“. Anders gesagt: Nicht der Skandal ist ein Skandal, sondern das Aufdecken des Skandals. Und das Opfer dieses Skandals wird erst durch öffentliche Kritik an diesem Skandal zum Opfer!

Die graue IG Bildende Kunst

Die Büro- und Galerieräume der grau und unscheinbar wirkenden IG Bildende Kunst

Zur Erinnerung: Das schreibt jene IG Bildende Kunst, die als einziges Statement zur Zensur der Künstlerkollegin Ines Doujak  k e i n  Statement der Verteidigung in ihrer Gewerkschaftszeitung abdruckte, sondern, im Gegenteil, ein ganzseitiges Plakat, auf dem Ines Doujak unter der Losung „Contra el Rassismo“ vergewaltigt, sexuell gedemütigt und erniedrigt wird. In einem Begleittext wird dann das Werk von Ines Doujak als „kolonialistischer Sexismus“ und „getarnter Kolonialismus“ gebrandmarkt, ehe das Pamphlet tausenden Empfängern der subventionierten Gewerkschaftspostillie zugänglich gemacht wird.
So betrachtet stimmt es schon, Zensur wird da zur Nebensache, Plakat und Text lesen sich mehr wie ein Aufruf zur Lynchjustiz.
Freilich, die Kunstgewerkschafter sehen das alles ganz anders. Kritik an Plakat und Text verbittet sich! Die Denunziation Ines Doujaks ist als „ künstlerische Arbeit eines Künstlerinnenkollektivs“ zu bewerten! Und „in diese einzugreifen, wäre aus Sicht der Redaktion Zensur gewesen!“
Großes Indianerehrenwort!
Die Bildbeiträge sind völlig unabhängig.
Sprich, der Kontakt zwischen IG Bildende Kunst, Redaktion und Künstlerinnenkollektiv gleicht einer Form von Windbestäubung: Kunstgewerkschaft und Zeitungsredaktion haben mit den künstlerischen Beiträgen im Bildpunkt nichts zu tun. Ergo sind sie hierfür auch nicht verantwortlich. Die IG Bildende Kunst und ihre Redaktion bezahlt, druckt, verteilt und bewirbt sie nur. Und, man verteidigt die beiden Künstlerinnen des Künstlerinnenkollektivs (im Gegensatz zu Ines Doujak) gegen bösartige Kritik des Antist.
Eine der beiden Künstlerinnen des Künstlerinnenkollektivs ist die Kulturfunktionärin Marissa Lobo. Marissa Lobo ist nicht nur Mitglied ihres berühmten Künstlerinnenkollektivs sondern saß bis Ende 2016 auch im Vorstand der mit 500 000 Euro subventionierten WIENWOCHE die ihrerseits wieder Aufträge an zahlreiche Vorstandsmitglieder der IG Bildende Kunst vergab. So übernahmen die IG-Bildende Kunst Vorstands- und Redaktionsmitglieder Carlos Toledo und Eva Dertschei regelmäßig die grafische Gestaltung der Wienwoche. Petja Dimitrova, ehemals Vorstandsmitglied, Vorsitzende und derzeit Beirätin des Vorstandes der IG Bildende Kunst, war gleichzeitig in der künstlerischen Leitung und im Vorstand der WIENWOCHE. Von den aktuell fünf Vorstandsmitgliedern der IG bildende Kunst waren vier bei subventionierten Veranstaltungen der WIENWOCHE aktiv. Aber auch drei von fünf Beiräten des Vorstandes und sechs der sieben Redaktionsmitglieder durften sich bereits über Körberlgelder für Auftritte bei der WIENWOCHE freuen.

Relative Autonomie

Im Herbst 2016 erschien das überparteiliche Gewerkschaftsorgan Bildpunkt „als Kooperationsprojekt“ und „in freundschaftlicher Verbundenheit“ mit der Wienwoche, dem „grünen“ Pendant zum „roten“ Donauinselfest. Titel der Sonderausgabe: „Politik der Freund*innenschaft“.
 Wenn man bedenkt, dass die WIENWOCHE 2017 von rund 500 000 Euro Subvention lediglich 170 000 für künstlerische Projekte ausschüttet, kann man sich ausrechnen, wie lieb den Kunstapparatschiks die wechselseitige „freundschaftliche Verbundenheit“ ist.
Co-Autorin des Anti-Doujak Plakats und zweites Mitglied in Marissa Lobos Künstlerinnenkollektiv ist Verena Melgarejo-Weinandt. Die gebürtige Berlinerin war eine von vier Stipendiatinnen des, von der Stadt Wien mit 109 000 Euro subventionierten Vereins „Kültür gemma“. Im Leitungsteam des Vereins, welch Wunder, Marissa Lobo. Gleichzeitig leitete die Künstlerinnenkollektiv-Künstlerin Verena Melgarejo-Weinandt eine subventionierte Museumsausstellung bei WIENWOCHE. Ihre kuratorische Mitarbeiterin, WIENWOCHE-Vorstandsmitglied Marissa Lobo. In der Ausstellung zu sehen, wer will das kritisieren, die berühmten Werke von Marissa Lobo selbst. Unter anderem das vom Marissa-Lobo-Künstlerinnenkollektiv gestaltete, in „freundschaftlicher Verbundenheit“, von der Zeitschrift der IG Bildende Kunst abgedruckte und beworbene Anti-Doujak Plakat.

Kritik an derartigen Machenschaften wird von dem ehemaligen Wiener Kulturpolitiker Klaus-Werner Lobo kehrtwendend als „dreiste Unwahrheit “ auf Kosten „prekär lebende Künstler_innen“ zurückgewiesen. Dazu muss man wissen, dass der große Globalisierungskritiker Klaus Werner Lobo zu den Gründern der WIENWOCHE gehört und dort, wie Frau Lobo, im Vorstand saß. Auch Kültür Gemma wurde, man glaubt es nicht, von Herrn und Frau Lobo gemeinsam ins Leben gerufen. Um das Leben „prekär lebender Künstler_innen“ erträglicher zu machen, erhielt Kulturfunktionärin Marissa Lobo, zum Glück, 100 000 Euro für ihr Projekt „Bodies of Knowledge“ aus dem Förderprogramm SHIFT. Auf der Kulturseite der Wiener Grünen erfährt man, dass bei diesem großartigen Projekt u.a. „Gedichte auf T-Shirts“ gedruckt wurden und mit diesem „textile book“ die „schwarze diaspora“ „neu kontextualisiert“ wurde. Gründer des mit 1,5 Millionen ausgestatteten und aus dem Budget der Volksbildung abgezweigten, Subventionsprogramms SHIFT ist übrigens, man traut es sich kaum sagen, Klaus Werner Lobo.
Aber so ist das halt, wenn Lulus einen Brief schreiben.