Es „antistelt“ im Wiener Gemeinderat

Die Enthüllungen des Antist zeigen Wirkung. Das schäbige Verhalten der IG-Bildende Kunst im Zensurfall der Künstlerin Ines Doujak hatte jetzt ein Nachspiel im Wiener Gemeinderat. In der Sitzung vom 26. Januar 2017 wurde ein Förderantrag der IG Bildende Kunst über 26 000 Euro zur Finanzierung ihres laufenden Galerieprogramms von den NEOS abgelehnt und im Plenum offen in Frage gestellt.

Die Wiener NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger begründete dies damit, dass die IG Bildende Kunst ihre Vertretungsarbeit für bildende Künstler und Künstlerinnen nicht bzw. nur unzureichend erfülle. Die Politikerin stellte völlig zu recht fest, dass es nicht die Aufgabe einer Interessensvertretung sein könne, sich für die Zensur von Kunst auszusprechen. Es sei auch nicht zu akzeptieren, wenn die IG Bildende Kunst in ihrem Zentralorgan eine eigene Schmähschrift samt Hetzplakat gegen die zensurierte Künstlerin Ines Doujak veröffentliche.

Zur Erinnerung: Auf dem Plakat wird Ines Doujak von den KunstgewerkschaftlerInnen unter der Losung „Contra el Racismo“ vergewaltigt und sexuell gedemütigt. Gefördert vom Bundeskanzleramt, verschickte man dies an tausende Abonnenten und Leser im österreichischen Kunst- und Kulturbetrieb.

Beate Meinl-Reisinger kritisiert den Umgang der IG-Bildende Kunst mit Zensur

Nachdem der Antist, als einziges Medium in Österreich, diesen Skandal aufdeckte, sahen sich die subventionierten Apparatschiks der IG Bildenden Kunst gezwungen, eine offizielle Verlautbarung zu veröffentlichen. In diesem, an die holprigen Gedichte Leonid Breschnews erinnernden Text, erklärten die bauernschlauen Kunstgewerkschafter ihr Hetzplakat zum „unabhängigen…  künstlerischen Beitrag“. Im Gegenteil, so erfuhr man von den Kunst-Breschnews, wäre hier jeder Eingriff „Zensur gewesen“. Gleichzeitig erreichten E-Mails einfacher IG Bildende Kunst-Mitglieder die Antist-Redaktion, in denen sie sich für unser Engagement bedankten und die Kritik zu 100 Prozent bestätigten.

Wie lächerlich das Statement der IG Bildende Kunst über ihre „relative Autonomie“ war, sah man schon an den personellen Überschneidungen. Eine der Autorinnen des Hetzplakats war die Kulturfunktionärin Marissa Lobo. Marissa Lobo war und ist Vorstandsmitglied des von den Grünen initiierten Kulturfestivals „Wienwoche“. Die jährlich mit rund 500 000 Euro von der Stadt Wien subventionierte „Wienwoche“ unterhält wiederum langjährige wirtschaftliche Beziehungen zu Vorstands- und Redaktionsmitgliedern der IG Bildenden Kunst und ihrer Zeitung.

Aber der Förderantrag der IG Bildenden Kunst veranschaulicht auch die völlige Intransparenz, Doppelgleisigkeit und Absurdität der österreichischen Subventionspolitik.

Die IG Bildende Kunst betreibt in ihren Räumlichkeiten eine kleine Galerie. Die Galerie mit gerade mal 60 m2 Ausstellungsfläche erhält neben den 26 000 Euro der Stadt Wien weitere 27 000 Euro vom Bundeskanzleramt (samt zusätzlichen 76 000 Euro für die IG Bildende Kunst selbst). Jährlich, versteht sich. Nicht gerechnet sonstige Subventionen und Förderungen.

Mit diesen 53 000 Euro Steuergeld für den „laufenden Galeriebetrieb“ werden, laut Website der IG Bildenden Kunst, 5 Ausstellungen pro Jahr realisiert. Von diesen 5 Ausstellungen ist wiederum eines ein sogenanntes Vorstandsprojekt. Dabei „realisieren Vorstandsmitglieder“ der IG Bildenden Kunst „als Initiator_innen oder Kurator_innen ein Ausstellungsprojekt.“

Trotz üppiger Subvention gibt es jedoch für die, von auswärts, über Open Call eingereichten, und vom Vorstand der IG Bildenden Kunst ausgewählten Projekte, lediglich 1000 Euro Ausstellungsbudget und magere 500 Euro Honorar für den oder die jeweilige Kuratorin oder Kurator. Von 53 000 Euro für den Ausstellungsbetrieb landen also lediglich 7500 direkt bei der Kunst.

Kunst- und Kultursubvention fördert und stärkt, wie man sieht, vor allem die Kunst- und Kulturbürokraten. Die IG Bildende Kunst ist aber keine Ausnahme. Das Gleiche gilt für fast alle der vom Stadtsenat vorgelegten Subventionsanträge. Kaum ein Kunst- und Kulturverein der über Bund, Länder und Gemeinden nicht doppelte und dreifache Förderungen bezieht. Das führt über dutzende Kommissionen, Beiräte und Ausschüsse, in denen jeder jeden direkt oder indirekt kennt zu genau jener kunstfeindlichen Stille und hauptsächlich sich selbst reproduzierenden Kunstbürokratie, die das kulturelle Leben in Österreich prägt. Gegenwartskunst wird dadurch nicht mehr mit der Gesellschaft verhandelt, sondern mit dem kleinen, letztlich immer gleichen Kreis an Systemprofiteuren. Kunstschaffen wird  zum bürokratischen Akt degradiert. Der freie Künstler verkommt zum Bittsteller. Das Resultat sind Künstler und Künstlerinnen, die Wochen und Monate damit verbringen, Subventionsanträge zu schreiben. Bei jeder Kritik an diesem absurden System schreien die subventionierten Kunstbürokraten dann sofort von kulturellem Kahlschlag und einem Angriff auf die Freiheit der Kunst. Das Gegenteil ist der Fall. Statt finanzielle Anreize für alle Bürger zum Erwerb von Kunst und Kultur zu schaffen, verteidigt man lieber ein feudalistisches und paternalistisches Verständnis von Kunst und Kulturpolitik. Man will keinen Dialog mit 8 Millionen Bürgern und potentiellen Kunstinteressierten in Österreich. Die halbstaatlichen Kunst- und Kulturbürokraten bleiben lieber unter sich. Das nennt sich dann Antiimperialismus.

Die Idee einer kämpferischen und engagierten Interessensvertretung für bildende Künstler und Künstlerinnen ist grundsätzlich sehr sinnvoll. Eine Interessensvertretung, die als einziges Statement, zur Zensur einer Künstlerkollegin, ein Hetzplakat abdruckt, auf dem diese Kollegin sexuell erniedrigt und ihre Zensur begrüßt wird, braucht allerdings kein Mensch. Ebenso wenig brauchen wir eine Interessensvertretung, die zu einer Subventionssekte der eigenen Funktionäre verkommt und im Wesentlich nur noch sich selbst repräsentiert. Es verwundert nicht, dass, wie uns einfache Mitglieder schreiben, die IG Bildende Kunst in den letzten Jahren kontinuierlich an Einfluss und Mitgliedern verloren hat. Es ist zu begrüßen, wenn Politikerinnen wie Beate Meinl-Reisinger derartige Missstände aufzeigen und Konsequenzen fordern.
Die Kunst- und Kulturpolitik in Österreich gehört sehr grundsätzlich reformiert.
Auch wenn die Schritte noch klein sind: es beginnt zu „antisteln“ im Wiener Gemeinderat…

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