Wenn die Lulus zu brunzen beginnen

Über die peinlichen Reaktionen der IG Bildende Kunst und ihres Zentralorgans Bildpunkt auf die Enthüllungen des Antist und die üble Hetze gegen die Künstlerin Ines Doujak. Ein Kommentar von Lukas Pusch

Im März 2015 zensurierte das Museu d’Art Contemporani de Barcelona (MACBA) die Skulptur Not Dressed for Conquering der österreichischen Documenta-Künstlerin Ines Doujak. Die IG Bildende Kunst begrüßte die Zensur und veröffentlichte in ihrem Zentralorgan Bildpunkt einen Hetzartikel gegen Ines Doujak, in dem die Künstlerin des „kolonialistischen Sexismus“ und „getarnten Kolonialismus“ bezichtigt wird. Zur Bebilderung des Textes gestalteten die selbsternannten „Antiimperialistinnen“ ein ganzseitiges Plakat, auf dem Ines Doujak unter der Losung „Contra el Racismo“ von Gewerkschafterinnen der IG Bildende Kunst vergewaltigt und sexuell gedemütigt wird. Gefördert vom Bundeskanzleramt, verschickte man dies an rund 4000 Bildpunkt-Abonnenten und Leser im österreichischen Kunst- und Kulturbetrieb. Der Antist berichtete als einziges Medium über dieses skandalöse Verhalten der größten Interessensvertretung für bildende Künstler und Künstlerinnen in Österreich und kritisierte sie dafür scharf.

Die zensurierte Skulptur "Not Dressed for Conquering" der Künstlerin Ines Doujak Foto: Doujak

Die zensurierte Skulptur „Not Dressed for Conquering“ der Künstlerin Ines Doujak

Die Printversion der Antist-Artikel erschien im November 2015. Sowohl die IG Bildende Kunst als auch die Redaktion ihres Zentralorgans Bildpunkt hüllten sich daraufhin in das für die staatlich subventionierte österreichische Kunst- und Kulturszene typische Schweigen. Keine Erklärung, keine Entschuldigung bei der Künstlerin, nichts…

Vor zwei Tagen, am 19. Oktober veranstaltete die IG Bildende Kunst eine große Feier zu ihrem 60-jährigen Bestehen. Motto der Jubelparty (kein Scherz): „Wofür braucht dich die Kunst?“ Das dachte sich die Redaktion des Antist auch und stellte den ersten Artikel über die Diffamierung der Künstlerin Ines Doujak online. Binnen weniger Stunden hatte der Text auf unserer Webseite über 1500 Zugriffe. Künstlerkollegen und Kolleginnen, die noch nichts von dem Fall wussten, zeigten sich fassungslos. „Wildest!  … da fehlen einem die Worte…“ schrieb die junge aufstrebende Künstlerin Roswitha Schuller. Andere, wie der Künstler und grüne Bezirksabgeordnete Thomas Draschan, reagierten noch entsetzter und verkündeten ihren Austritt aus der angeblichen Interessensvertretung.

Nachdem der Antist die Künstlerin Ines Doujak gegen Zensur und Hetze verteidigt, werden seine Herausgeber von IG Bildende Kunst Funktionären als Kommunisten und Vertreter einer "revanchistischen Ästhetik" beschimpft.

Nachdem der Antist die Künstlerin Ines Doujak gegen Zensur und Hetze verteidigt, werden seine Herausgeber von IG Bildende Kunst Funktionären als Kommunisten und Vertreter einer „revanchistischen Ästhetik“ beschimpft.

Das dürfte die Feierlaune auf der IG bildenden Kunst Party stark getrübt haben. Am Abend meldeten sich Toledo i Dertschei mit einem öffentlichen Posting auf der Antist FB-Seite und beschimpften die Antist Herausgeber als Kommunisten und Vertreter einer „revisionistischen Ästhetik“ (!). „arbeiterInnenstandpunkt (gemeint ist wohl eine, Ende der 80iger Jahre gegründete, trotzkistische Splittergruppe, Anmerkung d. Red.) … und tomak, wie oft war mir seine revisionistische ästhetik zu wider,“ tönt es da.

Hinter Toledo i Dertschei stecken die langjährigen Bildpunkt Redaktions- und IG-Bildende Kunst Vorstandsmitglieder Carlos Toledo und Eva Dertschei. Das Wiener Künstlerduo wird häufig mit der Gestaltung von Katalogen und Ausstellungsdekos staatlich subventionierter Kunst- und Kultureinrichtungen beauftragt. Nicht selten sind die Auftraggeber und Kooperationspartner auch Autoren bei Bildpunkt und/ oder stammen aus dem Umfeld der IG Bildenden Kunst. Vor allem das grüne Kulturfestival WIENWOCHE scheint ein besonders treuer und enger Kunde von Toledo i Dertschei zu sein.

Eine der Autorinnen des Hetzplakats gegen Ines Doujak ist die Künstlerin Marissa Lobo. Das künstlerische Werk von Marissa Lobo bekommt durch ihre Tätigkeit in den Vorständen zahlreicher, üppig subventionierter Kunst- und Kulturvereine einen besonderen Glanz. So ist sie z.B. Mitglied im Vorstand des Vereins zur Förderung der Stadtbenutzung (VzFS). Dieser Verein wurde, 2011, parallel zur neuen Regierungsbeteiligung der Grünen in Wien gegründet. Im Gründungsvorstand saß nicht nur der damalige grüne Kultursprecher Klaus Werner Lobo sondern es wurde auch ein eigener Kooperationsvertrag mit der Partei aufgesetzt. VzFS ist, und hier schließt sich langsam der Kreis zur IG Bildenden Kunst, Träger der WIENWOCHE und wird, welch Wunder, seit Regierungsbeteiligung der Grünen, von der Stadt Wien jährlich mit rund 500 000 Euro subventioniert.

Die Grünen machten also genau das, was sie zuvor, völlig zu recht, ÖVP und SPÖ vorwarfen und verloren damit, kulturpolitisch, jegliche Glaubwürdigkeit. Um zu sehen wie eng und lukrativ diese Verflechtungen sind kann man sich auch das, ebenfalls von Klaus Werner Lobo ins Leben gerufene, Förderprogramm SHIFT anschauen. Bei diesem, 2015 gestartetem Subventionsprogramm, wurden 1,5 Millionen Euro aus dem Budget der Wiener Volksbildung einem neuen Verwendungszweck zugeführt und an meist ohnehin schon schwer subventionierte „innovative Kunstprojekte“ verteilt.

Und, auch hier, ganz große Überraschung, zählte das Projekt Bodies of Knowledge von Klaus Werner Lobos Vereinskollegin Marissa Lobo zu einem der innovativsten aller Einreichungen und wird glatt mit 100 000 Euro bedacht. Auf der Kulturseite der Wiener Grünen erfährt man, dass bei diesem großartigen Projekt u.a. „Gedichte auf T-Shirts“ gedruckt wurden und mit diesem „textile book“ die „schwarze diaspora“ „neu kontextualisiert wird“. Wow.

Aber neben Marissa Lobo erhielt auch Petja Dimitrova für das Projekt You make law, we make history satte 25 000 Euro aus dem SHIFT-Programm. Im Unterschied zu Marissa Lobo ist Petja Dimitrova aber nicht im Vorstand des Trägervereins der WIENWOCHE sondern war nur bis 2014 deren künstlerische Leiterin und Geschäftsführerin. Als besondere Qualifikation kann sie aber ihre Funktion als Beirätin im Vorstand der IG Bildende Kunst vorweisen. Die Liste ließe sich sehr lange fortsetzen.

Forever together war das Motto der WIENWOCHEN 2016.

Forever together war das Motto der WIENWOCHE 2016. Die IG Bildenden Kunst Funktionäre Toledo i Dertschei waren auch dieses Jahr wieder mit von der Partie.          Foto: WIENWOCHE

Unsere strammen Kunstgewerkschaftler Toledo i Dertschei bekommen seit Jahren lukrative Aufträge von WIENWOCHE. Wen wundert es da, dass eine öffentliche Diffamierung einer zensurierten Künstlerin von der man keine Aufträge erhält, völlig unwidersprochen bleibt?  500 000 Euro hier, 100 000 Euro da, 25000 Euro zum Drüberstreuen. Das ist, für die meisten Menschen, viel Geld und der zentrale Grund für die Stille im österreichischen Kunst- und Kulturbetrieb. Künstler und Künstlerinnen die nicht in dieses Förderschema passen, müssen, für solche Summen, lange arbeiten. Bedenkt man zusätzlich die mehr als 244 000 000 Euro, die die Stadt Wien jedes Jahr für Kultur und Wissenschaft zu verteilen hat, bekommt man erst eine leise Ahnung von der verzerrenden und alles dominierenden Macht die der Staat und seine Bürokratie in Österreich in diesem Bereich ausübt. Die Stadt Wien hat, laut Pressemitteilung, ihr Kulturbudget allein zwischen 2001 und 2009 um 41 Prozent erhöht. Trotzdem wird jegliche Kritik daran als neoliberaler Kahlschlag diffamiert.

Es seien „höfischen Züge“, die das kulturelle Leben in Österreich prägen wie der Kurator und Publizist Martin Fritz in einem Interview richtig feststellte. Die materiellen Gründe, das extrem verzerrende staatliche Subventionsprogramm, wollte er, als Vorstandsmitglied des WIENWOCHE Trägervereins, allerdings nicht erkennen.

Eine offene und ehrliche Debatte um das beste System für die Kunst und nicht die Kunstbürokratie will in Österreich keiner führen. Das ist in der Kultur nicht anders als bei der Bildung, der Integration oder Verwaltungsreform. Zu groß ist die Angst, eigenen Pfründe zu verlieren, aus dem Förderkarussell der immer gleichen Geförderten zu fliegen oder gar nicht erst rein zu kommen.

Man kennt sich in Österreich. Was in Kärnten Haiders Buberlpartie war und in Niederösterreich der Bauernbund, sind in Wien die Freundinnen des großen Binnen-I. Die zentrale Job Description im staatsnahen Bereich ist das richtige Parteibuch oder die jeweils politisch korrekte Gesinnung. Hinterfrag werden nur die Privilegien der anderen.

„Wir wollen Privilegien umverteilen“ wird die Kunstfunktionärin Marissa Lobo anlässlich eines 2013, von ihr und Klaus Werner Lobo ins Leben gerufenen, und von der Stadt Wien mit 69 000 Euro subventionierten, Kulturvereins zitiert. Abschaffen will sie die Privilegien nicht. Das eint sie mit allen Parteien in Österreich.

In der subventionierten Kunstszene werden Förderanträge und überholte Diskurse mit Kunst verwechselt. Es geht dort um keine schöpferischen, anarchisch kreativen Akte der Kunst sondern Political Correctness. Die Freiheit der Kunst wird nur dann verteidigt, wenn sie ins politische Konzept passt. Beim Kunstverständnis dieser Kunstbürokraten denkt man an Polizisten oder sowjetische Grenzbeamte. Mit Kunst hat dies alles recht wenig zu tun. Es zeigt nur, zu welcher Inzucht und ängstlichen Stille staatliche Subvention im Kulturbereich führt.

Die von den größten Nutznießern der Förderung gebetsmühlenartig wiederholte These, dass staatliche Kunst- und Kultursubvention das Überleben kritischer Kunst sichern würde entpuppt sich, bei genauerer Betrachtung, als völlig unhaltbar. Das Gegenteil ist der Fall. Kunst wird dadurch lediglich verbeamtet.

Selbstorganisierte Interessensvertretungen für Künstler und Künstlerinnen sind grundsätzlich sinnvoll. Staatliche Förderung beschleunigt aber, wie bei der IG Bildenden Kunst zu sehen, die Bildung einer abgehobenen Funktionärsschicht, die mit den Interessen Ihrer Mitglieder nichts mehr zu tun hat.

Heute Morgen hatten die Kulturfunktionäre ihr Posting wieder gelöscht. Lulus, wie mein kleiner Sohn schon letztes Jahr richtig vermutete. Unfähig zur Diskussion und zu feig um zu streiten. Aber so ist das, wenn die Lulus zu brunzen beginnen.